Vielleicht kennen Sie das: Diskussionen im Klassenzimmer arten in Streit und Beleidigungen aus. Die Meinung der anderen wird diskreditiert – falls sie überhaupt angehört wird. Und konstruktive Projektarbeit im Team scheitert an der Dominanz einzelner Teilnehmender, weil sie andere Ansichten nicht zulassen wollen. Die Beschränktheit der eigenen Sichtweise wird nicht erkannt. Wer sie aber überwindet, dem gelingt es leichter, mit anderen zusammen ein Ziel zu erreichen oder einen Kompromiss zu finden.
Was im schulischen oder privaten Alltag funktioniert, wird in professionellen Zusammenhängen schon lange mit Erfolg eingesetzt: der Perspektivenwechsel. Er hilft, Probleme zu lösen, Blockaden zu überwinden und neue Wege und Erkenntnisse zu finden. Systematisch geht der Ansatz des Design Thinking an diese Fragen heran. Design Thinking ist eine Kreativtechnik, die aus der Softwareentwicklung kommt und in den USA erdacht wurde. Sie ist inzwischen in Deutschland angekommen und lässt sich überall dort anwenden, wo es um Lösungsfindung, Ideenentwicklung und um die Abkehr von eingefahrenen Denkmustern geht. Ein entscheidender Ansatz dabei ist es, in Workshops möglichst alle Beteiligten zusammenzubringen, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen, Rollenerwartungen und Motivationen mitbringen. Die Perspektivenvielfalt der Teilnehmenden ist einer der Erfolgsfaktoren für eine kreative Lösungsfindung.
Innerhalb des Design-Thinking-Methodensets findet sich zudem ein spielerischer Ansatz (nach Edward de Bono), der die Wirkung des Perspektivenwechsels nutzt: Laterales Denken, auch bekannt als „Die sechs Denkhüte“. Die Denkhüte haben verschiedene Farben und stehen für unterschiedliche Haltungen: objektiv (schwarz), kreativ (grün), emotional (rot), faktenorientiert (weiß), fokussiert (blau) und optimistisch (gelb). Den Workshop-Teilnehmern wird eine der sechs Rollen zugewiesen („Hüte aufgesetzt“) und sie haben die Aufgabe, das Problem aus ihrer spezifischen Rollenhaltung heraus zu betrachten und entsprechend zu argumentieren. Die Diskussionsergebnisse werden protokolliert und im Anschluss reflektiert. Das kreative Potenzial dieser recht simplen Methode ist immer wieder verblüffend. Wer mehr über Design Thinking erfahren möchte: Die Hopp Foundation Weinheim unterstützt Lehrerinnen und Lehrer beim Einsatz der Methode im Unterricht und für die Projektarbeit (https://www.hopp-foundation.de/design-thinking/design-thinking-in-der-schule.html).
Auch in der Mediation (als Methode des Konfliktmanagements) spielt der Perspektivenwechsel eine entscheidende Rolle. Der Mediationsprozess ist klar strukturiert und folgt bestimmten Regeln: Der Mediator ist allparteilich, die Konfliktpartner nehmen freiwillig teil und sind eigenverantwortlich für das Mediationsergebnis, es gibt keine Zielvorgaben und der gesamte Prozess ist vertraulich. Wesentlich ist der Mediator in seiner Rolle als Strukturgeber des Gesprächs. Er führt die Konfliktparteien schrittweise durch das Prozess, ohne selbst Lösungsvorschläge zu machen. Nachdem alle Konfliktthemen definiert und die Interessen der Parteien dargelegt wurden, sollen sie die Sichtweise des Gegenübers einnehmen und dessen Anliegen mit eigenen Worten beschreiben. An diesem Punkt „kippt“ das Gespräch oft: Blockaden lösen sich, die Verteidigung der eigenen Position tritt zunehmend in den Hintergrund und der Weg zu gemeinsamen Lösungsvorschlägen öffnet sich. Der Perspektivenwechsel bewirkt ein Aha-Erlebnis und ist der Schlüssel für ein konstruktives Miteinander.
In beiden Zusammenhängen - sowohl im Design Thinking als auch in der Mediation - wirkt der Perspektivenwechsel befreiend, er öffnet den Horizont und führt zu neuen Erkenntnissen. Die Überwindung eingefahrener Denk- und Handlungsmuster ist entscheidend, denn: „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.“ (Paul Watzlawick)
Wer Mediation und Konfliktmanagement einmal im eigenen Unterricht behandeln möchte, inklusive „Perspektivenwechsel“, sei folgender Titel anempfohlen:
„Kloppen oder Quatschen? Konfliktmanagement mit dem ‚Gott des Gemetzels‘. 10 Module zur Konfliktbearbeitung für die Sek. II“.